Meisterhaft, auch ohne Meister.

Mar 21, 2018 | PERS

Meisterhaft, auch ohne Meister.
21/03/2018 ~ herrklappentexter

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Wer auf der Suche ist, oft ja nach Antworten, oder in Sorge, oft in Hinblick auf das Morgen, und Sehnsucht nach Seelenfrieden verspürt, der könnte eines Tages auf die Zen-Kultur stoßen. Oft auch Zen-Buddhismus genannt. Oder einfach Zen. Und nichts ist so einfach und schwierig zugleich wie Zen.
Frenk Meeuwsen
Frenk Meeuwsen (Foto: privat)

Der niederländische Zeichner Frenk Meeuwsen begann schon recht früh in seinem Leben, sich Fragen zu stellen. Bereits als Teenager beschäftigen ihn die großen Themen wie Leben und Tod, wie Rache und das Anhaften an Dingen. Schon als junger Mann ließ er sich den Kopf scheren, was damals höchstens bei akutem Läusebefall oder Skinheads üblich war. Beides gesellschaftlich eher problematisch.

Die Graphic Novel Zen ohne Meister ist sozusagen seine Geschichte, die Geschichte seiner Suche und letztendlich des Findens eines für ihn gangbaren Weges. Dabei lernte Frenk früh, dass Beharrlichkeit und Geduld wichtig sind, wenn man sich mit spirituellen Dingen beschäftigt. Keine Erkenntnis kommt schnell und bleibt vor allem nicht ewig in einem Dasein, das die Menschen stets und immer wieder mit neuen Entwicklungen überrascht.

Nichts bleibt, wie es ist. Sei es nun der sadistische Mitschüler, der die Katze von Frenk vergiftet und dem seine Vorliebe für gefährliche Situationen selbst zum Verhängnis wird. Oder sein Vater, dessen nachlassende Kraft und Gesundheit Synonym für das Werden und Vergehen sind, die Vergänglichkeit von allem.

Kritisch reflektierte Perspektive

Meeuwsen gelingt es, seine Faszination für japanische und zenistische Kultur mit den Leser*innen zu teilen. Trotz anfänglicher Skepsis, nehme ich es während des Lesens mit immer mehr Freude an – Meeuwsens Angebot einer Vermittlung zwischen Ost und West. Vor allem, weil er auch eine kritische Perspektive nicht scheut: Die Unterstützung des Militärs durch den Zen-Buddhismus im zweiten Weltkrieg; die moderne, kapitalistische Vermarktung fernöstlicher Kulturpraktiken im Westen – mitunter auch von profitgierigen japanischen Zen-Meistern selbst unterstützt; die eigene Entfernung eines modernen, urbanen Japans von jener alten Tradition, der Frenk wie so viele andere Westler nachhängt. Wirklich toll an Zen ohne Meister ist, dass all diese wichtige Kritik zur Sprache kommen kann, ohne die Leser*innen mit dem deprimierenden Gefühl des Kulturpessimismus zurück zu lassen. Vielmehr bereichert sie die vermittelte Faszination und schafft ein komplexeres, ganzheitlicheres Bild.

Schwarz-Weiß-Minimalismus mit Sinn für Konzeption

Die Comic-Zeichnungen sind im schwarz-weiß-Stil gehalten, welcher sowohl an Meeuwsens Malerei als auch an die minimalistische Tradition des Zens anknüpft. Die Reduktion auf diesen radikalsten aller Kontraste ermöglicht ein dezentes, aber effektvolles Spiel, das Meeuwsen zeichnerisch äußerst gut und überlegt nutzt. Oft wird eine ganz eigene visuelle Poesie entwickelt, die manch Weiteres erzählt, das nicht in Worte gefasst wird.
Zen ohne Meister bereitet Freude
Freude am Kennenlernen japanischer – sowie auch niederländischer – Kultur und Geschichte. Freude am humorvollen, selbstironischen Blick Frenks. Freude an der poetischen Gestaltung. Freude daran, dass es offensichtlich möglich ist, sich einem trendumwobenen Thema zu nähern, ohne in die Falle exotisierender und allzu affirmativer Muster zu tappen.
Zen ohne Meister Frenk Meeuwsen avant-verlag (2017) 304 Seiten, schwarzweiß Softcover

Angie Martiens

Frenk Meeuwsen bleibt sich treu, ist authentisch. Und er lebt, was den Geist von Zen ausmacht: die Achtsamkeit. Es ist gar nicht so wichtig, was man tut, sondern, wie man es tut. Mit größtmöglicher Achtsamkeit den Dingen und den Menschen gegenüber. Wofür es noch ein anderes Wort gibt: Qualität. Ein Wort, das wir auch in dem Klassiker Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten von Robert M. Pirsig finden, den Frenk selbstverständlich gelesen hat. Qualität ist das Gegenteil von Gedankenlosigkeit, das Gegenteil von digitaler Hektik. Qualität ist Zen. Und das kann jeder von uns auch ohne Meister leben. Jederzeit. Jetzt. Dieses Buch ist ein exzellenter Einstieg. Ikiro!

Frenk Meeuwsen: Zen ohne Meister. Aus dem Niederländischen übersetzt von Katrin Herzberg. Lettering & Produktion: Tinet Elmgren. avant Verlag, 2017, 286 Seiten, 26,- €.